Familie Waidler
Geschrieben von : Family Waidler
über die Delphintherapie vom 29.09.‐13.10.2007 in Antalya
Sehr geehrte Damen und Herren,
nun sind wir schon wieder seit 2 Wochen aus der Türkei zurück und es ist endlich an der Zeit, uns bei Ihnen, auch im Namen unserer 3 Pflegekinder, für die außerordentlich großzügige Spende für die Delfintherapien zu bedanken.
Eine sehr intensive, zeitweise auch anstrengende und dennoch erholsame Zeit liegt hinter uns. Wir werden sicher noch einige Zeit brauchen, um all die neuen Eindrücke zu verarbeiten und vor allem die die Fortschritte und Veränderungen der Kinder mit den Fachärzten und Therapeuten zu besprechen und das weitere Vorgehen zu erarbeiten.
Bevor wir auf die einzelnen Kinder eingehen, einige grundsätzliche und wirklich wichtige
Informationen:
Das Therapiezentrum bei Antalya/Türkei ist wirklich weiter zu empfehlen! Die Tiere werden artgerecht im Meerwasser gehalten, sie dürfen auch einmal einen Patienten ablehnen und niemals konnten wir eine negative Behandlung der Delfine auch nur andeutungsweise erkennen. Im Gegenteil – die Tiere haben sich offensichtlich wohl gefühlt und sie waren stets gerne mit unseren Kindern zusammen. Auch wir rwachsene durften jeder einige Male für ein paar Minuten zu den Delfinen ins Wasser; es ist ein einzigartiges Erlebnis. Diese Tiere sind schon besondere Geschöpfe. Interessant war, dass „unser“ Delfin – Daisy – sich bei den Kindern sehr unterschiedlich verhalten hat, sie hat offensichtlich gespürt, was jedes einzelne Kind braucht.
Jeder Therapiedelfin hat seinen eigenen Trainer, zusätzlich ist noch ein Therapeut bei jeder Einheit mit anwesend. Dieser Therapeut begleitet die Familie vom Einführung‐ bis zum Abschlussgespräch. Die erste Zeit der Therapieeinheit, dient der Kontaktaufnahme mit dem Delfin. Die Kinder sitzen mit Trainer und Therapeut auf der Plattform, dürfen Bälle und Ringe ins Wasser werfen, die der Delfin dann zurückbringt, streicheln das Tier mit Händen und Füßen und dürfen ihm, wenn sie es wollen, auch ein Stückchen Fisch geben. Dann geht es mit dem Therapeuten, und bei Bedarf auch mit einem Elternteil, ins Wasser. Dort unterscheiden sich die Therapien sehr stark voneinander, die wirklich auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Patienten abgestimmt sind. Es wird aber sehr darauf geachtet, dass der Patient möglichst viel direkten Kontakt mit dem Delfin hat. Nach ca. 45 Minuten ist die Therapieeinheit beendet und die Delfine haben bis zum nächsten Patienten eine Pause. Alle Patienten bekommen für die Zeit der Therapie einen passenden Neoprenanzug gestellt und tragen im Wasser eine Schwimmweste. Zum Therapeuten besteht grundsätzlich ein recht enger Kontakt, jede Veränderung des Patienten wird besprochen.
Zusätzlich zur Delfintherapie gibt es noch weitere Therapieangebote, die jeweils auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sind. Auf der Dörtnal‐Ranch, unter der Leitung einer deutschen Ärztin, stehen mehrere Pferde zur Hippotherapie bereit. Die Familien werden unentgeltlich in einem Minibus vom Hotel zur Ranch und zurück befördert. Auch bei der Hippotherapie wurde in außergewöhnlicher Weise auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingegangen. Die Atmosphäre dort ist ruhig und sehr angenehm.
Andere Patienten benötigen eher Krankengymnastik, Massagen oder auch die Cranio‐Sacral Therapie. Bei Bedarf werden diese zusätzlichen Therapiemöglichkeiten auch im Wechsel angeboten, eben wirklich ganz auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt. Ein weiterer Arzt bietet Gesprächs‐ bzw. amilientherapie an, Herr Linke als Inhaber des Delfintherapiezentrums, kümmert sich ebenfalls um die Belange der Patienten und deren Familien und was ganz wichtig ist: alle beteiligten Ärzte und Therapeuten sind in täglichem Austausch miteinander und besprechen das weitere Vorgehen. Die Familien werden, wenn gewünscht, von den Praktikanten unterstützt – so dass auch sie einmal Ruhe für sich selber finden können. Dazu kommt natürlich noch die wunderschöne Umgebung, das Hotel mit diversen Freizeitangeboten, das gute Essen und und und……!
Doch nun zu unseren drei Therapiekindern:
Für unseren 14‐jährigen autistisch behinderten Pflegesohn Silas war es die zweite Delfintherapie. Bei der ersten Therapie vor 2 ½ Jahren in Kas/Türkei begann er über seine Gefühle zu schreiben. Damals schrieb er (Silas kann sich nicht adäquat verbal äußern und schreibt gestützt am PC) auch von Personen in sich – vieles deutete auf eine zusätzliche Psychose hin. Sein Hauptproblem sind jedoch seine extremsten automatisierten Autoaggressionen, die eine permanente Fixierung des Jungen erforderlich machen.
Dieses Mal knüpfte er sofort schriftlich an die letzte Therapie an, begann dann aber auch recht bald zu reden. Die Sätze wurden länger und vor allem sinnvoller. Das ist ein enormer Erfolg, denn auch zu Hause redet Silas jetzt mehr und vor allem sinnvoll. Interessant war, dass Silas offensichtlich in der Lage ist, türkisch zu verstehen und diese Sprache, zumindest zeitweise, auch zu sprechen. Wir sind schon sehr gespannt, was die nächsten Wochen und Monate bringen, denn all diese neuen Erkenntnisse bedürfen einer intensiven fachärztlichen Behandlung und Betreuung.
Anfang 2006 wurde uns von Seiten einer Fachklinik bescheinigt, dass wir bei Silas sehr viel erreicht hätten, nun aber keine weiteren Fortschritte mehr zu erwarten seien. Wir haben, gerade durch diese Zeit der Delfintherapie erlebt, dass Silas’ Entwicklung durchaus noch nicht am Ende ist und er mit viel Geduld und therapeutischer Unterstützung bestimmt noch Möglichkeiten der Entfaltung hat. Für Silas erhoffen wir uns weitere Spenden, denn das Zusammensein mit den Delfinen öffnet in diesem Jungen schier unglaubliche Türen zu sich selbst. Sie schaffen auch eine Möglichkeit des Zugangs für uns zu diesem schwer traumatisierten autistischen Jungen. Silas selbst hat uns schriftlich mitgeteilt, dass er unbedingt eine weitere Delfintherapie braucht.
Der Therapeutin gelang es sehr gut, einen Zugang zu Silas zu bekommen und ihn während der Therapie auch vor seinen Autoaggressionen zu schützen. Mit jeder Person, der dies gelingt, kann Silas ein Stückchen selbständiger werden, da er sich dann nicht mehr ausschließlich auf seine Pflegeeltern und seinen Schulbegleiter fixiert.
Ebenso schaffte es der Hippotherapeut sich auf Silas einzulassen und ihm die notwendige Sicherheit zu geben. Silas hatte sehr viel Spaß beim Reiten – er saß immer gemeinsam mit dem Therapeuten auf dem Pferd. Die Fixierung konnte zeitweise etwas gelockert werden.
Silas ging mit sehr gemischten Gefühlen zur Delfintherapie. Einerseits hatte er Angst vor den von ihm erwarteten neuen Erkenntnissen, andererseits freute er sich sehr auf das erneute Erleben der Delfine im Wasser. So wechselten auch seine Stimmungen vor und während der Therapie extrem. Kaum waren wir angekommen und Silas hatte den Namen des Delfins erfahren und das Tier im Wasser gehört (wir wohnten in unmittelbarer Nähe zum Delfinzentrum und konnten die Tiere immer hören), rief er auch schon permanent dessen Namen. In der Nacht konnte er vor Erwartung kaum schlafen und vor der Therapie war er außergewöhnlich autoaggressiv. Im Wasser sang er dann aber ganze Liedtexte und lachte laut und herzlich. Dann lautierte er wieder in ganz tiefen Tönen, die so gar nicht ihm entsprechen.
Es war auf alle Fälle sehr interessant.
Unsere fast 9‐jährige Pflegetochter Alina hatte sehr viel Spaß mit Daisy. Wir erhofften uns für diese Zeit für sie eine Festigung ihres Selbstwertgefühls. Sie war sehr verantwortungsvoll allen Tieren und genoss das Zusammensein mit dem Delfin sehr. Der Therapeutin gelang es, Alina unter sehr viel Lob zu außergewöhnlichen Leistungen zu motivieren. Auf der Dörtnal‐Ranch bekam Alina anstatt Hippo‐Therapie echten Reitunterricht. Sie war sehr stolz darauf und dadurch auch deutlich selbstsicherer. 2 x bekam Alina Cranio‐Sacral‐Therapie. Nach beiden Anwendungen war sie sehr offen und erzählte uns über ihre Gefühle und Gedanken in Bezug auf ihre Vergangenheit.
Insgesamt ist Alina seit der Delfintherapie wesentlich offener. Sie interessiert sich deutlich mehr für ihre Umgebung, nimmt nun Gefühle ihrer Mitmenschen und Familienmitglieder wahr und nennt ihre eigenen Bedürfnisse klarer und mit wesentlich mehr Überzeugung. Wir sind uns sicher, dass diese 2 Wochen Therapiezeit sie um viele Monate in ihrer Entwicklung weitergebracht haben.
Die 5‐jährige Pflegetochter Chantal ist während der Zeit der Delfintherapie regelrecht aufgeblüht. Aus dem schüchternen kleinen Mädchen wurde ein Kind mit dem Lieblingswort „allein“! Bisher war ihr Leben von sehr viel Angst bestimmt. Angst vor Musik, Angst vor dem Alleinsein, Angst verlassen zu werden und auch kleinere Ängste, wie die Angst vor Wasser. Bisher hat sie sich bei Schwimmbadbesuchen wie eine Ertrinkende an uns geklammert, wenn wir sie trotz Schwimmhilfen losließen, löste dies Panik in ihr aus. Nach nur 2 Therapiesitzungen mit Daisy forderte sie von der Therapeutin, sie solle sie loslassen, sie könne allein mit dem Delfin schwimmen!!! Auch bei uns Pflegeeltern konnte sie, sowohl im Meer als auch im Pool, nun alleine schwimmen (mit Schwimmhilfe). Chantal genoss das Zusammensein mit allen Tieren sehr. Auf der Dörtnal‐Ranch „ritt“ sie nicht nur auf ihrem Pferd „Bambi“ sondern auch auf einem der Hunde und sie konnte es kaum abwarten, bis sie an der Reihe war zu reiten. Chantal konnte sich, trotz ihrer Muskelhypothonie sehr geschickt auf dem Pferd halten und war auch bereit, kleinere Votigierübungen mitzumachen.
Auch Chantal bekam 2 x Cranio‐Sacral‐Therapie; bei ihr bemerkten wir dadurch keine Veränderung. Chantal begann in der Zeit in der Türkei viel zu sprechen. Die Sätze wurden länger und die Aussprache wesentlich deutlicher. Ihre inneren Blockaden lösten sich auf eine außergewöhnliche Art und Weise. So konnte sie sich z.B. beim Tanz ganz intensiv auf die Musik einlassen und bewegte sich anmutig und hingebungsvoll ohne auf ihre Umgebung zu achten.
Wir hoffen sehr, dass sie diese positive Entwicklung mit in den Alltag nehmen kann, denn ganz so verändert, wie wir sie auf unserer Reise erlebten, ist sie zu Hause nicht mehr.
So können wir nun unseren langen Bericht abschließen. Es gäbe noch viel zu erzählen, denn auch für uns Pflegeeltern war die Zeit und das Erleben unserer behinderten Pflegekinder sehr intensiv. 10 Tage lang wurden wir von einem kleinen Filmteam begleitet, das an einer Dokumentation über Silas arbeitet. Dadurch mussten wir uns mit der Vorgeschichte und unserem Zusammenleben mit diesen drei sehr außergewöhnlichen Kindern, insbesondere natürlich mit Silas auseinandersetzen. Dabei ging es nicht nur um das Leben der Kinder, sondern eben auch um unsere Gefühle, unsere persönliche Veränderung und die unseres Umfeldes (Freundschaften, Familie…).
Dadurch konnten, ja mussten wir uns auch uns selber und unserem Umgang mit den Kindern stellen, vieles neu überdenken und besprechen….! Die Gespräche mit den Ärzten und Therapeuten vor Ort unterstützten diesen Prozess noch deutlich. Wir glauben nicht, dass dieser Prozess mit der Rückkehr in den Alltag abgeschlossen sein kann, wir werden sicher in der nächsten und auch übernächsten Zeit noch viel an uns, vor allem aber mit unseren Kindern zu arbeiten haben und hoffen nun natürlich auch auf Unterstützung durch Ärzte und Therapeuten hier vor Ort.
Bei Ihnen können wir uns nur von ganzem Herzen bedanken! Sie haben durch Ihre Spende all dies ermöglicht und somit uns und unseren drei anvertrauten Kindern auf ganz besondere Art geholfen. Im Namen von Silas, Alina und Chantal ein herzliches „Vergelts Gott“! Wenn Sie gerne noch mehr Bilder haben möchten – wir senden Ihnen auch sehr gerne eine CD zu!
Dankbare Grüße
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